Unsere Koordinaten
N 52°14.663' – O 14°03.857
 

Rund Westeuropa in 4 Monaten

Im folgenden der Reisebericht von Torsten Gräser - er segelte ab dem 28.05.2000 rund um Westeuropa in 4 Monaten...

Torsten Gräser

Daten der Reise
Die Vorbereitung
Die Überführung ins Mittelmeer
Familienurlaub Mittelmeer
Der Binnenweg zurück nach Deutschland

Daten der Reise

Besuchte Länder7
Gesamtstrecke Diensdorf- Diensdorf4480 sm
Gesegelte Strecke1430 sm
Unter Segel und Motor800 sm
Unter Motor2250 sm
Motorbetriebsstunden650
Kraftstoffverbrauch1100 Liter
Anzahl passierter Schleusen173

Die Vorbereitungen

Was macht man mit 4 Monaten Segelurlaub? Vor dieser Frage stand ich, nachdem mein Arbeitgeber meinem Antrag auf 3 Monate unbezahlten Urlaub zustimmte. Mit meinem davor geschalteten Jahresurlaub ergaben sich so gut 4 Monate Reisezeit, die nun sinnvoll genutzt werden wollten.

Meiner Frau war es als Lehrerin leider nicht möglich die Sommerferien unbezahlt zu verlängern. So vereinbarten wir, einen 6 wöchigen Familientörn innerhalb meiner 4 monatigen Reise fest einzuplanen.

Nach diversen Planungsmodellen entschlossen wir uns für eine Reise rund Westeuropa um die iberische Halbinsel ins westliche Mittelmeer. Die Rückreise sollte dann der Zeit wegen und des im September/Oktober zunehmend schlechteren Wetters über Binnenkanäle erfolgen.

Zeitmäßig wurde die Reise wie folgt aufgeteilt: 7 Wochen Überführung ins Mittelmeer bis Ibiza, 6 Wochen Familienurlaub im westlichen Mittelmeer und anschließend 5 Wochen Rücküberführung nach Berlin. Auch nach der Feinplanung konnte ich den Zeitraum durchaus als ausreichend betrachten.

Die Überführung ins Mittelmeer

Am Sonntag den 28.05.2000 lege ich mit meiner Dehler Optima 98 G, Baujahr 1983, in Berlin ab. Der Stress der letzten Wochen ist vergessen. Thommy, ein Freund aus meinem Verein, dem Yachtclub Diensdorf am Scharmützelsee, ist aufgestiegen und wird mich bis nach Gibraltar begleiten. Mit einem weiteren Crewmitglied Verstärkung geht es zügig über Stralsund, Warnemünde und Großenbrode nach Kiel. Innerhalb nur einer Woche lassen wir die Ostsee trotz der vorherrschenden Westwinde hinter uns.

Die Fahrt auf dem 1895 von Kaiser Friedr. Wilhelm II der Weltseeschifffahrt übergebenen Nord-Ostseekanal verläuft reibungslos. Nach einem Crewwechsel in Cuxhafen, bei dem ein neuer dritter Mann aufsteigt, geht es weiter nach Helgoland.
Hier läuft gerade die Nordseewoche auf Hochtouren und wir finden uns abends als 5. Boot in einen 10-er Päckchen wieder. Der Hafen ist mit ca. 200- 300 Booten "sehr gut" besucht. Die Insel selbst ist nur 2 km lang und knapp einen km breit, nach 1952 ist sie komplett neu aufgebaut worden, da sie am 19.4.1947 von der Britischen Armee mit 7000 t Sprengstoff gesprengt wurde. Ziel der Briten war es, die Insel von der Landkarte verschwinden zu lassen, da sie im ersten als auch im 2. Weltkrieg wichtiger strategischer Punkt der deutschen Kriegsflotte war.
Zum Fithalten joggen Tommy und ich einmal um die Insel mit anschließender Sauna im beheizten Meeresschwimmbad. Beheizt wird das Badewasser über eine Wärmepumpe und durch das Kühlwasser der Dieselgeneratoren. Trinkwasser wird aus Meerwasser gewonnen, Strom über Dieselgeneratoren erzeugt.
Nach einem 3- tägigen Aufenthalt macht sich endlich ein Wetterfenster auf, in dem es uns gelingt weiter zu kommen. Der Wind hat auf 2-3 Bf aus SW abgeflaut und wir laufen die ersten 80 sm nach Scheveningen/ Holland unter Maschine. Später erreicht uns endlich der vorhergesagte mäßige NW-Wind, allerdings mit einer großen Portion Dauerregen. Die Besatzung schläft sich so durch den Tag. Nach und nach gewöhnen wir uns an den Seealltag und das "Kribbeln im Bauch" lässt langsam nach.

Scheveningen erreichen wir nach unserem ersten 200 sm Törn morgens um 01.00 Uhr. Der starke querlaufende Tidenstrom vor der Einfahrt erfordert bei der Dunkelheit eine umsichtige Navigation. In Scheveningen gönnen wir uns einen Tag Pause um Den Haag zu besuchen. Die Innenstadt ist fußläufig oder mit dem Bus erreichbar.

Über Oostende/Belgien geht es weiter nach Dover. Die Querung des Verkehrstrennungs-gebietes zwischen Calais und Dover wird wegen des enormen Schiffsverkehrs und der starken Stromverhältnisse sehr spannend. Die letzten 20 sm fallen uns recht schwer, da wir gegen einen östlich setzenden Strom von bis zu 3,5 kn ankämpfen müssen.

Fährhafen von Dover

Die Einfahrt in den Hafen von Dover verläuft glatt, nachdem uns über Dover Port Control Anweisungen zum Passieren des Fährhafens und von der Dover Marina -auch über UKW- einen Liegeplatz zugewiesen wird. Ohne Anweisungen ist das Befahren des Hafens schier unmöglich, da schätzungsweise alle 5 min eine Fähre ein- oder ausläuft. Innerhalb des Fährhafens bekommen wir Anweisungen an der Nordpier aufzustoppen und zu warten. Kurz danach "fliegt" eine der bis zu 70 kn ! schnellen Hovercraft Luftkissen-Fähren direkt an uns vorbei und setzt auf einem flach ins Wasser abfallenden Kai auf. Die Lautstärke dieser Fahrzeuge ist unbeschreiblich, bereits in einer Entfernung von ca. 5 sm sind sie deutlich zu vernehmen. Gleich neben den Hovercrafts haben die bis zu 40 kn schnellen Seacats (Katamaranfähren) ihre Liegeplätze. Der restliche Fährhafen gehört den großen Fähren (die, die noch wie richtige Schiffe aussehen).

Nach einem kurzen Besuch der schönen Stadt und der prachtvollen Festungsanlage, geht es am 20.6. laufen wir um 5 Uhr nach Brighten, dem feinen englischem Badeort an der Südküste Englands, aus. Kurz nach dem Auslaufen verschluckt uns eine Nebelwand und wir haben plötzlich noch ganze 50 bis 100 m Sicht. Die nächsten 4 Stunden werden wegen des starken Schiffsverkehrs sehr brenzlig. Einmal mehr bin ich froh mir im letzten Jahr den Radar geleistet zu haben.

Ganze 3 Tage liegen wir wegen zuviel Wind aus der falschen Richtung in Brighten fest und wir haben Zeit die Stadt zu erkunden. Die Altstadt ist mit ihren engen Gassen sehr idyllisch, doch unser nächster Termin drängt. In Cherbourg ist ein weiterer Crewwechsel geplant.

Erst am 24.6. können wir gegen 4 Uhr Bordzeit (in England ist es 3 Uhr) Richtung Cherbourg auslaufen. Angesagt waren Winde aus NW 4-5 Bf, später abnehmend auf 3. Es verspricht eine angenehme Reise bei halben Winden zu werden. Bei mitschiebendem Strom wickeln wir die ersten 45 sm in weniger als 7 h ab. Die See ist zwar rauh aber noch gut zu händeln. Gegen 8 Uhr frischt es auf 5-6 Bf auf. Ab 13 Uhr müssen wir immer höher an den Wind um Cherbourg zu halten. Durch den zunehmenden Seegang schlägt das Schiff zu hart in die Welle, wir sind gezwungen abzufallen. Laufen jetzt statt SW nur noch S-Kurs über Grund. Um 14.45 Uhr hören wir über UKW eine Sturmwarnung für unser Gebiet (Gale warning) und messen 7 Bf aus WSW. Die Welle hat eine Höhe von 2-3 m erreicht. Gegen 18 Uhr erreichen wir die Französische Küste und müssen wegen des Stromversatzes nun ca. 15 sm aufkreuzen. Wir haben jetzt wieder mitlaufenden Strom und damit allerdings Strom gegen Wind, so dass die Bewegungen des Bootes im Seegang sehr unangenehm werden. Gegen 20.30 Uhr erreichen wir den riesigen Vorhafen von Cherbourg und der Spuk ist schlagartig vorbei.

In Cherbourg haben wir einen Tag Zeit für anfallende Reparaturen, bevor am Tag darauf unsere neuen Crewmitglieder Otti und Lutz an Bord kommen. Nach der Verproviantierung und Bunkerung von Diesel und Wasser geht es abends noch in eine Kneipe, da Lutz unbedingt das Fußballspiel Frankreich-Spanien sehen will. Zum Glück gewinnen die Franzosen, so dass wir uns um die Stimmung im Hafen keine Sorgen machen brauchen.

Pub auf Guersey in St. Peter Port

Bevor wir den Englischen Kanal verlassen, machen wir noch einen Abstecher nach St. Peter Port auf Guernsey. Einen Tag später machen wir am "waiting ponton" im Vorhafen von St. Peter Port fest. Unsere Registrierung wird prompt und korrekt durchgeführt, eben "very britisch". Ein Herr der Port Control im Oberhemd und Schlips legt mit seinem Schlauchboot kurz bei uns an, übergibt Anmeldeformulare, fragt nach dem woher und wohin und natürlich ob Tiere an Bord sind. Danach kassiert er die Hafengebühr und jagt zur nächsten Yacht. Nachdem ausreichend Wasser über dem trockenfallenden Sill zur Victoria Marina steht, erhalten wir die Einfahrtgenehmigung und eine Platzanweisung.

St. Peter Port ist zweifellos eines der Höhepunkte der Reise. Das Flair zwischen Altstadt und den Häfen lädt zum Bummeln und Entspannen ein. Abends ist Pup-Time und wir geben bei diversen Biersorten unsere letzten Guernsey-Pfund aus.

Ohne Zeit zu verlieren geht es am Morgen des 27.6. bei frischen bis starken östlichen Winden in Richtung Brest. Nachmittags bemerken wir ein Boot der französichen Coastguard, welches auf uns zuhält. Über Funk kündigen sie eine Kontrolle an Bord an. Das bedeutet für uns bei 6 Bf und rauhem Seegang alle Segel zu bergen und einen Beamten der Guard an Bord aufzunehmen. Sie kommen zu zweit im Schlauchboot ohne Wettersachen und Schwimmwesten, aber mit einem Rucksack voller Formulare. Die erste Kontrolle gilt wie erwartet dem internationalen Flaggenzertifikat, danach kommen die Pässe dran. Schließlich lässt sich der Beamte noch meine Seenotraketen zeigen und kontrolliert das Verfallsdatum.

Am nächsten Morgen steckt "Taras" das erste Mal ihren Kiel in Atlantikwasser. Wir haben die Biskaya erreicht. Wenig später erreichen wir Brest, genauer gesagt Camaret su Mer einem Vorort von Brest. Unser Aufenthalt in Camaret sur mer dauert ganze 6 Stunden. Es werden Wasser, Gas und Diesel gebunkert und noch einmal frische Lebensmittel für 5 Tage eingekauft. Bereits am Nachmittag geht es bei schönstem Sonnenschein hinaus in die Biskaya, zur 340 sm Etappe nach La Coruna/Spanien. Doch bevor es richtig los geht, stoppen wir an einer Untiefe der Chaussee de Sein-Bank auf um uns das Mittagessen für den nächsten Tag zu angeln. Gegen Abend zieht allerdings dichter Nebel auf und begräbt die Hoffnung auf Einzelwache in der Nacht und auf eine längere Mütze Schlaf.

Abwechslung bringen uns diverse Begegnungen mit Delphinen, die direkt vor dem Bug aus dem Wasser springen und drunter durch tauchen. Unsere anfängliche Angst, dass sie an eine unserer Schleppangeln beißen würden ist unbegründet. Sogar einen Wal können wir von Ferne beobachten. Nun wird mir auch richtig klar, warum der Sport Blauwassersegeln heißt, denn eine solch dunkelblaue Wasserfärbung scheint es nur auf dem Atlantik zu geben. Fantastisch! Ein kleines Flugzeug interessiert sich für uns und fliegt 2 mal in 30-40 m Höhe direkt über den Mast hinweg, der Pilot winkt uns freundlich zu. Am nunmehr 2. Tag auf See nach dem Auslaufen aus Brest, fängt während des Mittagessens in der Plicht, die Schleppangel an auszurauschen. Soll sich da tatsächlich ein Fisch dran verirrt haben? So scheint es jedenfalls. Lutz hat ca. 20 min zu kämpfen bis er das Tier an die Oberfläche gebracht hat. Ein weißer Thun, und was für ein Bursche. Mit dem Gaff hieve ich ihn an Bord aufs Vordeck. 85 cm lang und 8 kg schwer. Von Lutz, unserem passionierten Sportangler, wird er fachmännisch ausgenommen. Anschließend verlangt er nach einer Eisensäge die ich glücklicherweise an Bord habe. Zusammen schneiden wir 11 große Koteletts aus dem Rumpf. Die erste Mahlzeit soll es zum Abend geben. Thommy studiert schon diverse Rezepte. Doch gegen Abend frischt der Wind auf Bf 5 auf und wir müssen zum Kochen das erste Reff wegstecken. Die Welle lässt auch nicht lange auf sich warten und so wird unser Koch auf eine harte Probe gestellt. Nach dem der Thun bereits gedünstet in die Schüsseln liegt, werden wir von einer größeren Welle getroffen. Alle 4 Schüsseln verabschieden sich von der Pantry und landen - gemäß Murphy natürlich kopfüber- auf dem Salonteppich. Das tut unserem Appetit allerdings keinen Abbruch und so werden die Schüsseln wieder befüllt und es kann gespeist werden. (Einige Staub- und Haarflusen müssen allerdings in Kauf genommen werden.) Mit Zunahme des Seeganges lässt der Appetit dann aber bald nach. Am späten Abend frischt der Wind -nachdem das Barometer von 1021 auf 1012 innerhalb eines Tages gefallen war- auf SW, Bf 6-7 auf und mir wird klar, die "letzten" 100 sm bis La Corunia werden harte Arbeit. Unter doppelt gerefftem Groß und 10 qm Selbstwendefock knüppeln wir das Schiff durch schätzungsweise 3-4 m hohe Wellen hoch am Wind. Richtung und Stärke des Windes bleiben bis zum Vormittag des nächsten Tages konstant. Nur die Seen legen mit zunehmender Wirkdauer der Windes noch merklich zu. Nachts wird das Rudergehen recht schwierig, da die Wellenberge in der Dunkelheit nicht auszumachen sind. Das Schiff fällt zum Teil einige Meter tief in die Wellentäler um unten -wenn man es nicht rechtzeitig abfangen kann- krachend aufzuschlagen. Um nicht bis La Corunia aufkreuzen zu müssen, laufen wir die 60 sm weiter östlich gelegene Bucht Ria de Vivero an.

Am Abend des folgenden Tages haben wir es geschafft und laufen in den Hafen von Vivero ein. Die Biskaya hat uns zu guter Letzt doch noch gezeigt, was in ihr steckt. Die ca. 14 h Starkwind auf der Biskaya waren für uns sicherlich hart, aber eine Erfahrung die keiner missen möchte.

In Vivero liegen wir eine Nacht und können abends noch einkaufen und tanken. Ein äußerst netter und zuvorkommender Hafenmeister fährt uns mit seinem Auto zur Tankstelle und lehnt sogar ein Trinkgeld dafür ab. Zum Abendbrot gibt es noch mal Thun vom Grill. Am nächsten morgen soll es weiter nach La Coruna gehen. Aber der Wind hat was dagegen. Nach ca. 20 sm gegenan geben wir und dieses mal geschlagen und laufen die Bucht St. Marta an.

Endlich hat das Wetter ein Einsehen. Bei leichten SO-Wind gehen wir ankerauf und verlassen am 4. Juli gegen 6 Uhr bei noch völliger Dunkelheit (Sonnenaufgang 7.10 Uhr) die Bucht. Das Cap Finisterre passieren wir noch am späten Abend.

Am nächsten Morgen, es sind noch rund 50 sm bis Porto, macht sich ein Südwind auf. In Landnähe kreuzen wir uns mühsam bis ins 15 sm entfernte Viana du Castello. 5 sm vor dem Ziel frischt der Wind auf (6-7 Bf). Die Sicht geht im strömendem Regen auf unter eine Seemeile zurück. 10 qm Fock, 2-fach gerefftes Groß und Motor werden eingesetzt um überhaupt Meilen gutzumachen. 2 Meilen vor dem Hafen verschwindet selbiger wieder im Regengrau, die Einfahrt ist zudem nach Süden hin geöffnet. Die Hafenmole kommt wieder in Sicht und wenig später passieren wir die Wellen hinunter surfend die Molenköpfe. Geschafft !!! Ich bin stolz auf Crew und Schiff. Damit haben wir uns ein ausgiebiges Abendessen verdient. Vorher, wir sind in Portugal, muss einklariert werden. Hoch lebe die Europäische Gemeinschaft. Die Formalitäten dauern fast eine Stunde. Kontrolle der Pässe, Bootspapiere und Versicherungen. Alles wird fein säuberlich notiert. Sogar Farbe, Ausrüstung und das Baumaterial des Bootes (das wiederholt sich in jedem portugisischem Hafen, die sollte mal einer vernetzen). Das Abendessen genehmigen wir uns in einer ganz kleinen Hafenkneipe. 3 Gänge und 4 Liter Wein. Danach gehts uns so richtig gut. Leider können wir uns auch hier keinen längeren Aufenthalt leisten, denn in 2 Tagen ist in Lissabon der nächste Crewwechsel geplant. Am späten Vormittag des 6. Juli lösen wir die Leinen und nehmen Kurs auf das 200 sm weiter südlich liegende Lissabon. Endlich weht der versprochene Norder, so dass wir "platt vor Laken" gut voran kommen. Zuerst mit Groß und Genacker, später nur noch mit Groß, weil es auffrischt. Bereits am Nachmittag messen wir 6-7 Bf und stecken das erste Reff weg. Die ersten Wellensurfes mit bis zu 10 kn durchs Wasser werden gefeiert. Gegen 22.00 Uhr muss das 2. Reff weggesteckt werden, da der Wind auf 7-8 Bf aufgefrischt hat. Mit ca. 7 qm Segelfläche laufen wir Rumpfgeschwindigkeit. Die Wellen haben sich mit ca. 4 bis 5 m zu einer (für uns) gewaltigen Höhe aufgebaut. Glücklicherweise schafft es aber keine Welle ins Cockpit einzusteigen. Einige brechen sich kurz hinter unserem Spiegel. Doch nur etwas Gischt erreicht den Steuermann. Für die Nacht ordne ich Doppelwache an. Am nächsten Vormittag flaut es langsam auf 6 Bf ab. Gegen 19.00 haben wir die Mündung des Ria Tejo erreicht und machen wenig später in Lissabon im Dock Alcantara fest. Für die Strecke von 200 sm benötigten wir 33 Stunden und hatten damit einen Schnitt von 6 kn über Grund.

Wieder ist Crewwechsel angesagt. Otti und Thommy müssen aus Zeitgründen absteigen. Am gleichen Tag steigt meine Schwester Yvonne auf, um uns bis Ibiza zu begleiten. Einen kurzen Landgang zur Alfama, der Altstadt Lissabons, gönnen wir uns noch (bei 30 Grad) bevor es am nächsten Tag zu dritt weitergeht Richtung Süden zur Algave. 120 sm liegen vor uns, für Yvonne wird es die erste Nachtfahrt und dann gleich auf dem Atlantik. Der elektrische Autopilot kann wegen des Seeganges wieder mal nicht benutzt werden. Am nächsten Morgen passieren wir das Cap Sao Vicente, den südwestlichsten Punkt Europas und wir gehen auf östlichen Kurs. Die schroffe Felsenküste vor Lagos und das tolle Wetter begeistern uns.

Lagos und Vilamoura sind Algave life. Hotels, Pensionen, Restaurants aller Couleur, Flaniermeile rund um den Hafen. Wir halten uns hier nur kurz auf, denn der nächste Höhepunkt unser Reise heißt Gibraltar. Immerhin sind es noch 150 sm bis zum Eingang ins Mittelmeer. Für die Straße von Gibraltar wird Sturmwarnung gegeben 8 Bf aus Ost. Woher auch sonst, wenn wir Richtung Osten wollen. Auf Grund der Windverhältnisse entscheiden wir uns in Barbate, einem kleinen spanischen Ort ca. 30 sm vor Gibraltar einen Zwischenstopp einzulegen.

Am nächsten morgen geht's mit wieder vollen Dieseltanks weiter. Gibraltar erreichen wir am Nachmittag, nachdem wir vor der Bucht noch ca. eine Stunde geangelt hatten. 3 kleine Seebarsche sind das magere Ergebnis. Ein Oktopus, der bei mir tatsächlich an der Angel hing, schüttelte sich kurz über der Wasseroberfläche ab, spritzt eine Fontäne Wasser aufs Deck und verschwindet im immer noch tiefblauen Meer. Die Einklarierung verläuft, wie von den Briten nicht anders gewohnt, sehr korrekt. Weißes langes Uniformhemd und lange schwarze Hosen bei 33 Grad Celsius. In großen roten Lettern wird darauf aufmerksam gemacht, dass der Schiffsführer für jeden blinden Passagier eine Geldstrafe von 100 Pfund Steerling zu zahlen hat. Diese Warnung der Polizei Gibraltars lässt wohl auf das nach wie vor leicht gestörte Verhältnis zu seinem Nachbarland Spanien schließen. Immerhin wurde erst 1985 die Grenze zu Spanien wieder geöffnet, nachdem 16 Jahre lang eine Politik der Abschottung bestand. Grund dafür war der Versuch der Spanier in der sechziger Jahren bei den Vereinten Nationen auf die Rückgabe des Felsens zu drängen.

Mit einem Taxi geht's hinauf auf den ca. 450 m hohen Felsen. Der Ausblick ist grandios und die nordafrikanische Küste (hier ca. 10 sm entfernt) zum Greifen nahe. Zwei Affenrudel (eigentlich Macacen) bevölkern den Felsen, die meisten von ihnen sind so frech, dass sie sogar in die Autos der Touristen einsteigen, um dort nach Essbarem zu suchen. Die Mahlzeiten werden den Affen tagtäglich von den Touri´s frei Haus geliefert (Bananen, Nüsse, Kekse usw.) Von hier oben sind auch die Überreste einer maurischen Burg aus dem 14. Jahrhundert zu sehen, welche von der über 600 jährigen Herrschaft der Mauren über Gibraltar zeugen. Erst 1462 wurde der Felsen vom spanischen Heer zurückerobert. Gibraltar blieb spanisches Besitztum bis zum Anfang des 18. Jh. und fiel 1704 durch das Abkommen von Untrecht "für immer" der Krone Großbritanniens zu. Gibraltar hätte eigentlich einen viel längeren Aufenthalt verdient, aber der enge Zeitplan fällt uns auch hier wieder mal auf die Füße.

Wehmütig verlassen wir Gibraltar nur einen Tag später und in großen Sprüngen geht es weiter, über das aus dem Boden gestampftes Ferienzentrum Almerimar, zum Cabo de Palos. Das Hafenhandbuch empfiehlt nur kleinen Yachten und bei gutem Wetter die Einfahrt in den Puerto de Cabo de Palos. Also genau passend für uns. Tatsächlich haben wir zwischen den Molenköpfen nur noch 50 cm Wasser unterm Kiel. Der Ort ist, wenn man aus einem Ferienzentrum wie Almerimar kommt eine angenehme Überraschung. Kein Touristennepp, keine Chiceria, allerdings auch keine Duschen und Toiletten für Gastanlieger. Eben ein kleines spanisches Fischerdorf wie wir es schon im Norden des Landes, nach der Überquerung der Biskaya kennengelernt haben.

Zwei Tage später erreichen wir pünktlich am 21.7.2000 nach weiteren 142 sm die Bucht von Ibiza Stadt. Drei Marinas stehen zur Auswahl. Alle drei sind voll. Das frustriert schon mächtig, denn zum Crewwechsel ist ein Stegliegeplatz sehr vorteilhaft. In der einen Marina bekommen wir nach langem Betteln doch noch einen Notplatz für eine Nacht (Mooringleine für ein 5 m Boot). Der Spaß kostet dann für eine Nacht sage und schreibe 100 DM, ohne Strom versteht sich.

Damit geht die Überführung von Berlin nach Ibiza auf den Tag genau gemäß meiner Vorplanung zu Ende sein. Die Gesamtstrecke betrug damit rd. 2700 sm - die in 43 Reisetagen absolviert wurden. Meist war es das Wetter, dass uns zu 10 Hafentagen zwang. Insgesamt 12 Nächte segelten wir durch, um größere Entfernungen zu überbrücken. Die längste Distanz war die Biskayaüberquerung mit 340 sm in 3 Tagen.

Die Überführung war für mich sicherlich die interessanteste Etappe der Reise. Unbenommen waren die Nordsee und der Englische Kanal die Anspruchsvollsten der durchsegelten Reviere. Für meine Crew und mich war es ein Debüt, denn keiner von uns hatte vorher je die Ostsee segelnder Weise verlassen. Entsprechende Reviererfahrungen zu besitzen ist sicherlich vorteilhaft, aber intensive Planung, notwendige Vorsicht und gute Seemannschaft sind zusammen durchaus in der Lage fehlende Reviererfahrungen zu kompensieren.

Familienurlaub Mittelmeer

6 Wochen Mittelmeer liegen vor uns und das mit dem eigenen Boot, die Rahmenbedingungen für einen erholsamen Urlaub sind gegeben.

Die Familie

Noch am Abend des Anreisetages meiner Familie, verholen wir uns in die Ankerbucht vor dem Hafen von Ibiza Stadt, um der horrenden Hafenliegegebühr ( von 100 DM) zu entgehen.

Am nächsten Abend stürzen wir uns ins Nachtleben von Ibiza Stadt. Es ist unglaublich was hier abgeht. Ab 23.00 Uhr sind die Straßen der Stadt übervoll. Sämtliche Geschäfte sind offen und die Marktstände auf den Straßen stehen dicht an dicht. An den Kais direkt vor der Altstadt haben die Schönen und Reichen ihre Megayachten von der bordeigenen Mannschaft festmachen lassen. Man will gesehen werden. Gegen 01.00 Uhr öffnen die Discotheken und schließen erst, wenn die Sonne gegen 6.00 Uhr morgens über die Kimm des Mittelmeeres kriecht.

Für die nächsten beiden Tage ist Sightseeing angesagt. Mit einem Mietauto fahren wir kreuz und quer über die Insel. Die Tropfsteinhöhlen "Cova de San Marca" werden auch für unseren Jüngsten (3 Jahre) ein Erlebnis.

In kurzen Sprüngen erreichen wir die Nord-Ost-Seite Ibizas, um uns kurz darauf nach Mallorca abzusetzen. Zwei wirklich große Delphine begleiten uns ein Stück und springen munter vor unserem Bug. Wir sind fasziniert. Abends erreichen wir die Südküste Mallorcas. Die Bilder in den Häfen ähneln sich sehr. Puerto Adriano ist voll, Puerto Santa Ponsa auch. Wir gehen in der Bucht von Santa Ponsa vor Anker. Am nächsten Morgen bekommen wir einen Liegeplatz in der Marina Santa Ponsa (75 DM). Da wir uns wieder ein Mietauto besorgt haben, erkunden wir das Innere der Insel: La Granja ein ehemaliger maurischer Palast und das Kartäuserkloster von Valldemossa in dem Frederec Chopin den Winter 1838/39 zusammen mit der Schriftstellerin George Sand verbrachte sind unsere Ziele. Am 3. Tag geht's ins Marineland nach Palmanova zur Delphin- und Papageienshow. Die Genehmigung für die unter Naturschutz stehende Insel Cabrera die ich in Santa Ponsa beantragt hatte, trifft leider nicht ein, da auch hier alles voll ist und man vertröstet mich um eine Woche, aber die Zeit haben wir leider nicht.

In der Bucht von Campos überfallen uns die Ausläufer eines ausgewachsenen Mistrals und wir liegen bei 7-8 Bf ablandigen Wind vor Anker. Wegen des schlechten Ankergrundes gebe ich sicherheitshalber 35 m Ankerkette. Es pfeift gewaltig im Rigg und ich messe 40 kn Wind in Böen. Zum Glück habe ich beim Tauchen den Anker fest hinter einer Felsenplatte verhakt, so dass das Boot wohl nicht auf Drift gehen wird. Da 30 m hinter unserm Heck das Außenriff beginnt müssen wir trotzdem sehr aufpassen. An Schlaf ist bei dem Lärm ohnehin nicht zu denken. Die Ankerkette wird krachend über die Felsen gezogen, so dass ich jedes mal vermute, der Anker hätte sich doch gelöst. Am nächsten Morgen hat es auf 6 Bf abgeflaut. Da wir es nicht eilig haben, und der Wind auch aus der falschen Richtung kommt beschließen wir noch zu bleiben. Tags darauf, es ist der 5. August und mein 37. Geburtstag geht's weiter in die Bucht von Porto Colom, einem kleinen Yacht- und Fischereihafen an der Ostküste.

Vor der Einfahrt in die sehr geschützte Bucht prasselt für ca. eine Stunde ein wolkenbruchartiger Regen nieder, den ich in dieser Stärke hier noch nicht erlebt habe. Das Deck, die Segel und die Crew sind aber recht dankbar für diese gratis Frischwasserdusche, die das Meersalz von allen Oberflächen abwäscht.

Am Tag darauf legen wir noch einen kurzen Zwischenstop im nur 9 sm entfernten Porto Cristo ein, um uns die berühmten "Coves del Drach" (Drachenhöhlen) anzusehen. Die Höhlen, die bereits den Römern und Mauren bekannt waren, beherbergen einen See von 177 m Länge und bis zu 9 m Tiefe. Abends kommen wir mit einem Bootsnachbarn ins Gespräch, es stellt sich heraus, dass er aus Island kommt und wir erfahren im Verlaufe des Abends noch viel über sein Land.

Am 7. August treffen wir in Alcudia, an der Nordspitze der Insel ein, das ist unsere letzte Station auf Mallorca und den Balearen. Wir sind erstaunt, dass wir problemlos einen Liegeplatz im Yachthafen bekommen. Der Besuch der Altstadt ist hier ein Muss. Die mittelalterliche Stadtmauer umschließt noch immer die alte Stadt und man fühlt sich in den engen Gassen um einige hundert Jahre zurückversetzt.

Gegen Abend des 9. August legen wir ab und verlassen die Balearen in Richtung Barcelona. Um den Kindern die Überfahrt nicht zu lang zu werden zu lassen, segeln wir die Nacht hindurch. Am Tag darauf erreichen wir Barcelona. Uns wurde die Marina Port Vell empfohlen, sie liegt nur 5 Gehminuten von der Altstadt entfernt. Um sie zu erreichen müssen wir durch den 3 sm langen Handelshafen fahren, der nicht nur von 250 m langen Tankern sondern auch von Kreuzfahrtschiffen und Großseglern gut besucht ist. Eine halbe Stunde später machen wir tatsächlich mitten in der Stadt fest. Um uns herum Großstadttrubel Bars, Restaurants, Geschäfte und natürlich Unmengen von Touristen. Wir liegen direkt neben einem Boot aus England und einer Familie mit 4 Kindern an Bord. Sie geben uns zu verstehen, dass es bei ihnen manchmal recht laut werden könnte. Wir winken ab, kein Problem schließlich haben wir ja auch einen kleinen "Krachmacher" mit. Der wird auch gleich auf dem Vordeck von der Mama mit dem Frischwasserschlauch abgeduscht und zeigt dem halben Hafen was an Lautstärke in ihm steckt. Mit der Seilbahn geht es quer über den Hafen und hinauf zum "Castell de Montjuic", das erst Mitte des 18. Jhd. erbaut wurde und noch im 20. Jhd. ein gefürchtetes Militärgefängnis beherbergte. Auf dem Rückweg geht's noch ins Marinemuseum. Hier bauten die Katalanen ihre Handelsschiffe und Kriegsgaleeren. Natürlich steht auch die berühmt-berüchtigte Ciutat Vella (Altstadt) mit ihrem düster und geheimnisvoll wirkenden Labyrinth enger Gassen und Torgänge auf dem Programm. Im Zentrum des gotischen Viertels der Altstadt steht die Kathedrale die 1298 bis 1430 errichtet wurde und in deren Taufbecken die ersten 6 Indianer, die Kolumbus 1493 aus Amerika mitbrachte, zu mehr oder weniger guten Christen gemacht wurden. Vier Tage Großstadttrubel sind genug und es zieht uns weiter entlang der Costa Brava Richtung französische Grenze.

Die nächsten Orte sind Blanes, Palamos und Estartit. Alles von Touristen überflutete Ferienorte mit sehr teuren Marinas. Auf der Seekarte entdecke ich eine schöne Ankerbucht und wir entschließen uns vor unserem Absprung nach Frankreich dort eine Nacht zu verbringen. Gegen 21.00 Uhr des 17.8. erreichen wir die Bucht El Golfet und stellen fest, dass wir tatsächlich mal fast allein in dieser sehr ruhigen und geschützten Ankerbucht liegen. Taras machen wir mit einer Heckleine am felsigen Ufer fest und bringen nach vorn den Buganker mit 15m Kette aus. Jetzt liegt das Boot völlig ruhig. Mit dem Schlauchboot erforschen wir die Höhlen der Umgebung und Schnorcheln im allerdings nur noch 20 Grad warmen Wasser. Erholung pur!

Zwei Tage später entschließen wir uns, mit einer Träne im Auge weiter zu segeln. Aber der Wind hatte in der Nacht zuvor gedreht und es wurde ungemütlich in der Bucht. Nach ca. 6 sm überqueren wir die Grenze zwischen Spanien und Frankreich und fahren damit auch in den berüchtigten Golf du Leon (Löwengolf) hinein. Nur 10 sm weiter machen wir in Port Vendes fest und sind von der typisch französischen Silhouette der kleinen Stadt angenehm überrascht.

Einsame Bucht am Golf du Leon

Der Hafen selbst liegt in einer tiefen Bucht und wir machen mitten im Herzen der kleinen Stadt fest. Die 2- und 3- geschossigen Häuser, meist mit großen Palmen davor, wirken nach all den Bettenburgen der spanischen Costa Brava irgendwie entspannend und beruhigend auf uns.

Bei einem Ausflug entdecken wir das kleine Fischerdorf Collioure, unweit von Port Vendes direkt an der Küste gelegen. In der Seekarte ist dort nur ein winziger Hafen eingezeichnet. Als wir kurz nach dem Ablegen auch schon in die Bucht von Collioure einfahren, erleben wir wohl einen der schönsten "aha Effekte" auf dieser Reise. Eine mächtige Burg thront auf einem Felsen direkt über der Ankerbucht und dem kleinen Hafen. An Back- und Steuerbord auf den weiter entfernten Berggipfeln zwei Festungen und rechts neben der Einfahrt steht schon mehr im als am Wasser die barocke Kirche Notre Dame die Anges. In dem kleinen Hafen, der direkt an die Burgmauer grenzt, liegen nur einheimische Angelkähne. Kurz entschlossen fahren wir trotzdem ganz vorsichtig hinein und haben in der Einfahrt nur noch 40 cm Wasser unter Kiel. Die mächtige Burg an der wir liegen, stellt sich als Chateau Royal (Königsschloss) und Sommerresidenz der Könige von Mallorca heraus. Der Nachmittag gehört den Sehenswürdigkeiten des Ortes.

Über Leucate, Port Narbonne und Sete geht es bei moderaten Windverhältnissen weiter entlang der Küste nach Port Camargue dem grössten Yachthafen des Mittelmeers mit sage und schreibe 4400 Wasserliegeplätzen. Als wir ankommen finden hier gerade Wettkämpfe im sog. Fischerstechen statt. Bei diesem Wettkampf fahren 2 Fischerboote aneinander vorbei. Je ein Mann steht mit Lanze und Schild bewaffnet erhöht auf dem Heck des Bootes und versucht im Vorbeifahren den Gegner ins Wasser zu stoßen. Ein Spaß für die ganze Familie. Auch liegen hier 8 ca. 23m lange französische Trainingsyachten mit jeweils 280 qm Segelfläche für den America`s Cup, einer der ältesten internationalen Segelregatten der Welt.

Ein Tiefdruckgebiet über dem Golf von Genua kündigt einen bevorstehenden Mistral an. Da wir die nächsten Tage nicht in Port Camargue verbringen wollen segeln wir noch am Nachmittag des 26.8. nach Saintes Maries de la Mer, einem kleinen Ort mitten im Nationalpark "de Camargue" gelegen. Noch am Abend geht's in die hiesige Arena zum Rodeo. Es wird auf Pferden und wilden Stieren geritten. Auf Drahteseln erkunden wir den Nationalpark und können frei lebende Flamingos, Wildpferde und Stiere beobachten. Der feine Sandstrand liegt direkt neben dem Hafen und auch unser Kleinster ist glücklich.

Zwei Tage später nutzen wir die restlichen Ausläufer des abflauenden Mistrals und segeln mit Rauschefahrt die letzten 45 sm bis zur Ile Ratonneau, einer Insel direkt vor den Toren Marseilles.

Vor allem für unserem großen Sohn gibt es hier eine Menge zu entdecken, da die Insel jede Menge Ruinen alter Gebäude und Befestigungsanlagen aus dem 19. Jhd. zu bieten hat.

Am 30.8. laufen wir in den Port Vieux von Marseille ein. Der Hafen liegt mitten in der Stadt und wir haben noch 2 Tage Zeit die Metropole kennenzulernen. Am Freitag den 1.9. treffen meine Eltern in Marseille ein, die mich auf der über 2000 km langen Kanalfahrt nach Deutschland und zurück zum Scharmützelsee begleiten werden. Für meine Familie sind die Sommerferien nun leider zu Ende und am Samstag geht es per Nachtexpress zurück nach Berlin. Einstimmiges Resümee der Reise: Es waren wirklich tolle Ferien. Insgesamt 600 sm haben wir in den 6 Wochen zurückgelegt. Sicher nicht viel, aber dafür blieb genug Zeit Land und Leute kennen zu lernen.

Der Binnenweg zurück nach Deutschland

Am Sonntag den 3.9. wollen wir eigentlich die 25 sm nach Port St. Louis segeln um dort den Mast zu legen, doch der Mistral weht seit 3 Tagen mit ständig zunehmender Stärke und wir müssten genau gegen an. Laut Wetterprognose soll er am Montag auf 6-7 Bf abflauen. Der Hafenmeister rät uns noch zu bleiben, da der Wind seiner Ansicht nach nicht nachlassen wird. Montag Morgen um 7 Uhr machen wir uns trotzdem auf den Weg, um nicht noch mehr Zeit zu verlieren. Wir kommen gut aus dem Hafen und können die erste halbe Stunde hart am Wind mit kleiner Besegelung gute Fahrt machen. Langsam kehrte der Mistral aber zu seiner alten Stärke zurück und scheinbar aus dem Nichts kommend,treffen uns Böen mit einer Geschwindigkeit von 40 kn und mehr. Ich gehe in den Wind um Druck aus den Segeln zu nehmen. Wir bergen die Segel und unter Motor kämpfen wir uns gegen Wind und Welle nur noch sehr langsam voran. Auf den letzten 4 sm bis zur Hafeneinfahrt scheint der Wind noch einmal zuzulegen und lässt das Boot auch ohne Segel auf bis zu 25 Grad krängen. Hinter der schützenden Einfahrt atmen wir auf, schlagartig ist es warm und wir pellen uns langsam aus den Schwerwettersachen und den Schwimmwesten. Der Mistral soll uns noch viele Tage auf der Rhone begleiten.

Zum Mastlegen finden wir einen geschützten Platz und am nächsten Morgen fahren wir in die Schleuse, die uns auf ihrer anderen Seite in die Rhone entlässt. In der Schleuse treffen wir ein Boot aus Darwin in Australien. Sie wollen nach Holland und im nächsten Frühjahr nach England. Bereits seit 1,5 Jahren sind sie auf Weltreise und über den Indischen Ozean und das rote Meer ins Mittelmeer gekommen. Später erfahren wir, dass sie damit bereits ihre dritte Weltumsegelung in Angriff nehmen. Die erste Station ist Arles, die einstige Lieblingsstadt der Römer, die von ihnen "kleines Rom in Gallien" bezeichnet wurde. Der Maler Vincent van Gogh lebte hier viele Jahre und fand südlich der Stadt auch die kleine Zugbrücke über einen Bach, die ihm das Motiv für eines seiner bekanntesten Bilder gab.

Weiter geht's nach Avignon der ehemaligen Papstresidenz und einer der schönsten Städte im Süden Frankreichs. Anfang des 14. Jhd. kaufte der Papst die Stadt und ließ dort einen prächtigen Palast bauen, welcher eher einer Festung gleicht. Rom war dem Kirchenoberhaupt in jener Zeit politisch zu unruhig geworden, so dass er ein Ausweichquartier benötigte. Fast 70 Jahre lang residierten hier 7 Päpste bevor deren Residenz wieder nach Rom zurück verlegt wurde. In Avignon bekommen wir Diesel an der Bootstankstelle und erfahren vom Tankwart, dass landesweit gestreikt wird und die meisten Tankstellen geschlossen sind, da sie weder Diesel noch Benzin haben. Die gesamte Rhone entlang begleiten uns ständig Zeitzeugen vergangener Jahrhunderte in Form alter Brücken, Türme und Mauern. Um so mehr stört uns die nicht geringe Zahl von Kernkraftwerken, die ebenfalls alle in Flussnähe erbaut wurden und uns recht schroff in die Gegenwart zurückholen.

Avignon mit Blick auf den Papstpalast

Über Condieu geht es weiter nach Lyon, der Stadt am Zusammenfluss der Saone und der Rhone. Hier endet unsere Fahrt auf der Rhone, da diese ab Lyon flussaufwärts nicht mehr schiffbar ist und wir biegen in die Saone ein. Wir können an einem Kai direkt unterhalb der Altstadt festmachen. Lyon ist mit mehr als 1,2 Mio Einwohnern die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Wir besuchen das Stadtviertel Saint Jean, es ist wohl eines der Ältesten der Stadt. Mit dem Bau der dortigen Kirche wurde bereits im 11. Jhd. begonnen. Im Innern der Kirche ist u.a. eine astronomische Uhr aus dem 13. Jhd. zu bewundern, die noch funktioniert und neben Datum und Uhrzeit auch alle kirchlichen Feiertage korrekt anzeigt. Aber auch in Lyon lassen wir uns eigentlich viel zu wenig Zeit für die Stadt, da wir wissen, dass der Weg nach Hause noch weit ist. In Chalon sur Saone endet die auf 3,50 m Wassertiefe ausgebaute Wasserstraße für den Frachtverkehr. Bis dort hin schieben sich doch tatsächlich noch auf 3,20 m abgeladene seegängige Frachter mit bis zu 3000t Fracht.

Von der Saone´ biegen wir in den Rhein-Rhone Kanal ein und dieser hat auf seinen 236 Kilometern doch tatsächlich 115 Schleusen. Hinzu kommt, dass der Kanal viele Engstellen mit teilweise nur 5,20 m Breite hat. Die Wassertiefe variiert stark und beträgt oft nur 1,7 m. Auch 2 Tunnel von 200 und 400 m Länge müssen durchfahren werden. Die höchste Höhe des Kanals liegt bei 340 m über NN. Die Mehrzahl der Schleusen ist manuell zu bedienen, d.h. die Tore und Flutklappen sind von Hand auf und zu zu kurbeln. Es ist Usus den Schleusenwärter bei dieser Tätigkeit zu unterstützen, außerdem lässt sich die Reisezeit dadurch verkürzen. Über Dole geht es weiter nach Besancon. Die sich zu beiden Seiten erstreckenden Gebirgsketten sind beeindruckend. Immer wieder säumen Viehherden und kleine Bergdörfer die Ufer. Die hoch über der Stadt thronende Festung ist schon von Weitem auszumachen. Leider gibt es in Besancon kaum Anlegemöglichkeiten für Boote mit mehr als 1,2 m Tiefgang. Weiter geht's nach Montbeliard, 4 Jahrhunderte war es Fürstentum des heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Eindruckvoller Zeuge dieser Zeit ist das Schloss der Herzöge von Würtemberg, welches ab dem 13. Jhd. entstand. 1793 schloss sich das Fürstentum Frankreich an. Auf der weiteren Fahrt begegnen uns 2 der großen Penichen (Lastkähne) die mit ihren Abmessungen von 39m Länge und 5m Breite noch gerade so in die Schleusen passen. Auf dem engen Kanal haben wir mit unserem Tiefgang keine Chance auszuweichen und werden mit dem Kiel langsam auf den Sand geschoben.

Die letzte Station im Rhein -Rhone -Kanal ist die malerische Stadt Mulhouse. Die im Mittelalter unabhängige Stadt, schloss sich 1798 Frankreich an. 1870 fällt es im Krieg an Deutschland und wird 1918 erneut französich.

Die letzten 17 km des Kanals bis zum Rhein sind zur Großschiffahrtsstraße ausgebaut und der Schiffsverkehr nimmt schlagartig zu. Die ursprünglichen Planungen den gesamten Kanal als Verbindung von der Nordsee zum Mittelmeer für große Binnenschiffe auszubauen, wurden in diesem Jahr endgültig verworfen. Zu teuer, zu aufwändig und damit zu unrentabel. Um den Kanal in seiner jetzigen Form wäre es eigentlich auch schade, denn es war eine erlebnissreiche und nie langweilige Strecke.

Der Rhein begrüsst uns unfreundlich, Dauerregen, schlechte Sicht, grauer Himmel und 14 Grad Lufttemperatur. Wir sind in Deutschland. Der hier kanalisierte Streckenabschnitt des Rheins hat 2 kn Strömung und wir kommen zügig voran. Die sehr schnell fahrenden Frachtschiffe werfen große Wellen auf und "Taras" stampft so stark in diesem "Seegang", dass ich schleunigst den liegenden Mast noch fester zurre um Schäden durch die Schläge zu vermeiden.

Weiter geht es den Rhein talwärts nach Speyer. Nach passieren der letzten Rheinschleuse bei Iffezheim nimmt die Strömung auf über 5 kn zu und wir rasen mit 11 kn über Grund unserem Ziel entgegen. In Speyer besuchen wir die herrliche Altstadt und haben die Möglichkeit unsere Lebensmittelvorräte zu ergänzen.

Bis nach Koblenz genießen wir den wohl schönsten Streckenabschnitt des Rheins. Die Berge beider Rheinseiten sind gesäumt von 22 alten Ritterburgen und Schlössern. Am nicht ganz ungefährlichen Loreleyfelsen nimmt die Strömung noch einmal kurzzeitig zu und das Flusswasser bildet unangenehme Wirbel. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Köln verlassen wir den Rhein und biegen in den Rhein-Herne-Kanal ein. Dieser wurde 1914 eröffnet und war die Verbindung des Rheins mit dem Dortmund -Ems-Kanal. Mit der Eröffnung des Kanals besaß das deutsche Kaiserreich endlich eine innerdeutsche Rhein-Nordseeverbindung.

Am 28.9. fahren wir in den 330 km langen und landschaftlich eher langweiligen Mittellandkanal ein. Dem Kanalbau, der die Verbindung der vom Rhein kommenden Kanäle zur Elbe darstellt, war ein 50 Jahre dauernder Interessenkampf vorausgegangen. Erst 1904 wurde der Bau im dritten Anlauf vom Berliner Abgeordnetenhaus genehmigt. Nun konnten auch die östlich der Elbe liegenden Gebiete von den Kohledampfern aus dem Ruhrpott erreicht werden. Aus dem zweigeteilten Verkehrsnetz in Deutschland (Rhein, Weser im Westen und Elbe, Oder im Osten) entstand ein gesamtdeutsches Wasserstraßennetz.

Über das Schiffshebewerk Rothensee verlassen wir den Mittellandkanal, in dem wir ganz allein schleusen und auf Elbniveau herabgelassen werden. Nun wird es noch mal spannend, die Elbe hat Niedrigwasser und wir hoffen trotzdem die 10 km ohne Grundberührung zu überstehen. Schon bei der Einmündung auf die Elbe haben wir nur noch 20 cm Wasser unterm Kiel und biegen scharf links ab, um nicht in noch flacheres Wasser zu kommen. Das scheint der gegenüberliegenden Wasserschutzpolizei gar nicht zu gefallen. Das WSP-Boot Magdeburg kommt schnell auf uns zu und ein Polizist steigt während der Fahrt über. Nach Kontrolle der Papiere verwarnt er uns mit 20 DM, weil wir angeblich ein Wendeverbot (das wir nicht gesehen hatten) mißachtet hätten. Unsere Einwände bezüglich des flachen Wassers lässt er nicht gelten. Damit kassiere ich nach über 4300 sm durch teilweise sehr schwierige Gewässer kurz vor der Haustür wegen einer Lappalie meine erste Strafe.

Die letzten 80 km bis nach Berlin sind schnell geschafft. Ab Marseille haben wir damit in knapp 5 Wochen gut 2000 km zurückgelegt und 163 Schleusen passiert. Am Dienstag Nachmittag den 3.Oktober 2000 kreuze ich meinen Ausgangskurs auf der Spree bei Oberschöneweide und die Umrundung Westeuropas ist damit nach 128 Tagen und 4440 sm geschafft. 7 Länder und 70 Häfen besuchte ich während dieser Zeit. Von meiner Familie werden wir (hoffentlich sehnsüchtig) erwartet. Am Freitag den 6.Oktober geht es weiter zum Scharmützelsee (ca. 50 km östlich Berlins gelegen) in unseren Heimathafen Diensdorf. Als wir den Kanal verlassen, der in den Scharmützelsee mündet, empfangen uns unsere Vereinskameraden mit einem Signalhorn -Konzert. Ca. 10 Boote aus meinem Verein, viele über die Toppen geflaggt, begrüßen uns herzlichst. Wir binden uns zu einem riesigen Päckchen zusammen und lassen uns den See hinunter nach Diensdorf treiben.

Es war eine großartige Reise, die nicht nur lehrreich und interessant war, sondern auch stressig und erholsam gleichermaßen. Sicher war der Zeitplan, im nachhinein betrachtet, ziemlich eng ausgelegt, den ich auch fast bis auf den letzten Tag ausgereizt hatte. Denn nur 2 Tage nach meiner Ankunft mußte ich mich bei meinem Arbeitgeber zurückmelden. Trotzdem habe ich die Wahl der Route nie bereut. Es war eine Reise von der mir sicherlich jedes Detail noch lange in Erinnerung bleiben wird.

Torsten Gräser